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:::Christoph Paasch – Arztpraktikum in Kasachstan:::

Der 24 jährige Magdeburger Christoph Paasch hat in Taldykorgan und Almaty eben sein kurzes Praktikum beendet und darüber einen Bericht geschrieben, welchen ich Ihnen nicht vorenthalten will. Christoph, welchen ich hier kennengelernt hab und mit dem ich den einen oder anderen Stadtspaziergang mit spannenden Gesprächen hatte ist nun wieder in Deutschland.

Meine Famulatur in Almaty (KZ)

Im Jahre 2004 unternahm ich mit drei Studienkollegen eine Reise nach Kasachstan. Wir besichtigten die Stadt Almaty und überquerten anschliessend per pedes den Tien-Shan um zum Issy-Kul einen der grössten Bergseen der Erde zugelangen. Häufig dachte ich in den Folgejahren an diese ereignissreiche Reise und das wunderschöne Land Kasachstan. Ich wollte zurück und einen erneuten Aufenthalt mit einer Famulatur zuverbinden schien mir sinnig. Ich lernte fortan in der Volkshochschule Göttingen die russische Sprache so gut es eben ging parallel zum Studium.
Die Organisation der Auslandsfamulatur fiel jedoch sehr schwer. Kasachstan befindet sich nicht auf der Länderliste des BVMDs, dem Bund vereinigter Medizinstudenten Deutschlands, was gleichbedeutend ist mit der Tatsache, dass ich mich um alles selbst kümmern musste.
Als die Wohnung gefunden und eine Famulaturstelle über alte Bekannte in Kasachstan organisiert wurde, konnte es endlich losgehen. An dieser Stelle nochmals einen Großen Dank an Dagmar Schreiber, der Herrausgeberin des Reiseführers Kasachstan Entdecken, für ihre Hilfe bei einfach allem.

Ich hab in der PrivatClinic Almaty famuliert. Die Einrichtung ist untergliedert in poliklinische Sprechstunden und einer stationären Aufnahme. Die Gynäkologie, Urologie, Kardiologie, Chirurgie, Endokrinologie und Zahnmedizin sind poliklinisch vertreten. Auf der Station liegen vorwiegend internistische Patienten. Die technische Ausstattung entspricht in dieser Einrichtung annähernd dem westeuropäischen Standard. Mit privaten Geldern wurde dieses Krankenhaus erst vor einigen Jahren errichtet. Ein Neubau mit geplanten 300 Betten ist bereits im Bau. In diesem sollen ein Herzkatheterlabor und zusätzliche OP-Bereiche errichtet werden. Ein Drittel aller dort arbeitenden Ärzte sollen zukünftig aus Europa kommen um auch im ärtzlichen Bereich eben europäischen Standard sicherzustellen.

In der Zeit vom 26.8.07 bis 26.10.07 famulierte ich in der PrivateClinic Almaty im Bereich Gynäkologie.
Dr. med. Dieter Seitzer, Gynäkologe aus Tuttlingen, ließ mich an seinen Sprechstunden und Hausbesuchen teilnehmen.
Herr Seitzer lebt seit einem Jahr in Almaty. Er kommt gebürtig aus Tuttlingen, lehrte auch in Göttingen und war zuletzt Chefarzt einer Klinik im Münstererraum. Ihn dort kennengelernt zu haben stellte sich als „Segen“ herraus. Da er mit seinen Patientinnen in einem (auch für mich) verständ-lichen Russisch spricht und mir auf deutsch anschließend alles erklärte, konnte ich sowohl sprachliche als auch fachliche Fertigkeiten erlernen.
Der fachlich (negative) Höhepunkt war für mich einen Patientin, welche sich mit einem Mammacarcinom im Stadium T4 vorstellte. So etwas habe ich in Deutschland noch nie gesehen.
In Kasachstan beträgt beispielsweise die 5-JÜR am Mamma-Ca 49% (BRD ca. 80%). Es gibt keine stattlich geförderten Screeningprogramme. Die Behandlung des Mamma-Ca ´s wird vom Staat zwar bezahlt, doch die Diagnostik, das Screening im Falle der Befundlosigkeit eben nicht. Diese Tatsache hält viele Patientinnen dazu an sich nicht untersuchen zulassen.
In Kasachstan existiert keine etablierte staatliche Krankenversicherung.

Sehr beeindruckt hingegen hat mich die Tatsache, dass die hiesigen Ärzte sehr viel mehr Zeit für den Patienten haben als in Deutschland. Bis zu 30 Minuten pro Patient sind klarer Standard. Jedoch müssen sie sich häufig das Arztzimmer mit anderen Patienten. teilen Das EKG wird geschrieben, während ein mit unter persönliches Arzt-Patientgespräch von statten geht. Auch werden die Zimmertüren nicht verschlossen und ständig kommt ohne vorher zu klopfen oder um Eintritt zu beten jemand in das Arztzimmer. Sicherlich für einen Mitteleuropaeer kaum verständlich aber hier Alltäglichkeit, an der sich der Patient nicht stören lässt.
In Kasachstan gibt es keine Facharztausbildung. Nach 3-4 monatiger Weiterbildung im Anschluß an das Studium ist man bereits „Spezialist“.
Die Pflege nimmt eine andere Stellung ein als in Deutschland. Sie ist doch viel weniger emanzipiert und der Ärzteschaft höriger. Als ich eines Morgens zu spät zur morgendlichen Besprechung kam und ich mit den Worten:“strastwujtje“(seien sie gegruesst) die Anwesenden begrüsste, sprangen plötzlich die Schwestern von den Stühlen und begrüssten mich „den Studenten“ im Chor zurück. In Deutschland werde ich doch in vielleicht ähnlicher Situation keines Blickes gewürdigt. Was nun nicht heissen soll, dass ich bei meiner nächsten Famulatur in Deutschland jeden morgen so begrüsst werden möchte.

Wenn ein Hilfesuchender ein staatliches Krankenhaus aufsucht, ist es leider immernoch der Fall, dass man ohne eine dirkte Zahlung an den diensthabenden Arzt (Korruption) keine sachgemässe Versorgung erhält. Der Grund liegt auf der Hand. Die Gehälter liegen offiziell zwischen 100-300 Dollar pro Monat. Die Wohnungspreise insbesondere in Almaty und der Hauptstadt Astana stiegen/steigen rasant in den letzten Jahren, so dass man ohne Zuverdienste welcher Art auch immer kaum noch leben kann, in diesem generell immer teurer werdenen Land. In der PrivateClinic Almaty habe ich dies jedoch nicht beobachtet. Die Ärztegehälter liegen in dieser Einrichtung um ein Vielfaches über denen staatlicher Krankenhäuser.

Der besondere Vorteil dieser Auslangsfamulatur ist aus meiner Sicht die Möglichkeit sprachliche Fähigkeiten zu verbessern und andere Gesundheitssystem kennenzulerne. Ich habe mir immer gewünscht russisch sprechen zu können und dem bin ich hier sehr nahe gekommen. Viele Ärzte in Kasachstan sprechen kein Englisch und wenn nur sehr begrenzt.

Dieser zweimonatige Aufenthalt hat mir sehr viel gegeben. Ich habe nicht nur ein anderes Gesundheitssystem sondern auch das Land, seine Leute und ihre Sprache kennengelernt.
Voller Wehmut denke ich nun an diese Zeit zurück, an das Land der Nomaden, der endloserscheinenden Steppe. Ich denke an diese vielgesichtige Stadt Almaty (ehm. Alma-Ata), an die Offenherzigkeit und Gastfreundschaft dieses wunderschönen Landes Kasachstans. Es hat mich mit offenen Armen empfangen.

christoph.jpg

Christoph Paasch, Magdeburg der 3. November 2007

4 Kommentare
  1. Brigitte Henchen
    Brigitte Henchen sagte:

    :cool:Lieber Herr Paasch, ich war sehr erfreut Ihren Kommentar zu lesen, nachdem ich auf der Suche nach Dieter Seitzer bin. Es hat mich nicht wenig überrascht wo und was er tut. Ich wäre Ihnen jedoch mit meinem Anliegen sehr verbunden, wenn Sie mir eine Telefonnummer oder Adress (E-mail ) mitteilen könnten, wie ich ihn evtl. noch erreichen kann. Ich danke Ihnen von Herzen Brigitte Henchen

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