:::Skizze zum Tag 30:::

Wer zum ersten Mal nach Kasachstan kommt wird nicht lange dafür benötigen einen der grössten ‚Bodenschätze‘ Kasachstans zu entdecken – den Abfall. Schon kurz nachdem man vom Flughafen über die frisch gebaute Autobahn in die Stadt hineinfährt und dann von der Furmanova ‚Präsidentenstrasse‘ abzweigt beginnt sich der Abfall in seinen schönsten Farben zu schillern. Zuerst erkennt man ihn nur in den Strassengräben, die im Sommer zur Bewässerung der Bäume und Pärke dienen, im Frühling und Herbst zur Entwässerung bei starken Regenfällen, später fällt er auch einem ungeübte Beobachter vor so ziemlich jeder Plattenbausiedlung auf.

Es ist schade, dass Kasachstan es nicht schafft, dieses Problem in den Griff zu kriegen, welches im Vergleich zu anderen Investitionen verschwindend klein wäre. Und es sind auch Bestrebungen im Gange – alleine in diesem Jahr wurden tausende metallene grüne Abfalleimer den Strassen entlang aufgestellt. Doch   das alleine reicht nicht. Der Kasache ist ein Postsowjetbürger, also gewohnt auf Befehle zu handeln. Nicht immer aber oft habe ich die neuen Abfalleimer fast leer vorgefunden, zwei Meter nebenan stehen aber Müllpakete mit häuslichen Abfällen, direkt unter dem Abfalleimer liegen zerbrochene Bierflasche – Überreste einer weiteren ‚olympischen‘ Disziplin der Kasachen – Das abendliche Zerschlagen jeder herumliegenden Bierflasche.

Für mich nicht mehr nachvollziehbar – aber sich schon unzählige Male gesehen, ältere Frauen, Grossmütterchen die den Müll direkt vor die Haustüre oder an den nächsten Baumstamm stellen, anstatt die notwendigen 100 Meter zur nächsten Sammelstelle hinter sich zu bringen.

Bei Jungen AlmatinerInnen ist es beinahe unschick, vermute ich, den Abfall in einen Eimer zu legen. Die soziale Kontrolle ist in diesem Moment überproportional gross. Die Freundesgruppe schaut genau hin, dass die PET-Colaflasche auch unbedingt in hohem Bogen ins nächste Gebüsch fliegt, oder über eine Mauer ins Ungewisse.

Recycling ist in Kasachstan unbekannt, Mülltrennung ebenfalls. Ein Sackgebührsystem ist nicht in Aussicht. Jeder, der einen Mitbürger dazu anhält, doch seinen eigenen Müll da hinzubringen, wohin dieser auch gehört wird höchstens mit einem Missbilligenden Blick betrachtet oder gleich noch beleidigt.

9 Kommentare
  1. danillo propagandismo
    danillo propagandismo sagte:

    in kasachstan gibt es scheinbar wirklich keine mültrennung… der kasache lebt mit dem müll, nicht getrennt von ihm :shock:
    das dieses thema bei dir immer präsenter wird zeigt mir jedenfalls;
    dir stinkts langsam ganz gewalltig in almaty :cry:

  2. R.Wiedenmeier
    R.Wiedenmeier sagte:

    @danillo propagandismo: Das Thema wird nicht präsenter, ich habe bloss begonnen, auch etwas darüber zu schreiben. Müll gehört zum Leben. In der Schweiz produziert der Einwohner pro Kopf massiv mehr Müll. Man sieht in einfach nicht. Stinken tuts in Almaty nie, bloss in den Treppenhäusern der Plattenbauten ist es ab und zu etwas unangenehm. Mir stinkts also so gesehen noch nicht zu fest. Da hätte ich mit Rom weitaus mehr Mühe :wink:

  3. Arman
    Arman sagte:

    Hallo. Bin dein Webseite endlich entdeckt. Hoffe, dass du mich noch errinnerst. Weiter zum Thema: Du hast, eigentlich ein sehr wichtiges thema genommen. Das problem ist mehr sozial, als es scheint von Artikel. Es ist auch sehr mehrfähig.
    Geschichtlich, es war für die meisten Kasachen in die Soviet Zeiten verboten in die Städte zu Leben, ausser Studium und andere ausnahmen. Deswegen sind die Meisten vom Land neu gekommen und ehrlich zu sagen nicht wohl erzogen. Meine bekannte wird nie sowas machen mit Klarem kopf. Eigentlich, auch was du auf dem Strassen siehst ist so mehr pöbelisiert.
    Zweitens, Oralmans. Wenn du kennst dies sind Kasachen die aus andere Länder zurück nach Heimat gekerht und so wie Deutschen denken wir denken auch eben mehr dass sie Oralmans sind ungebildet, meistens können nicht schreiben oder lesen und die sitzen auf unsere Infrastrukur system, sowie Spitalen, Schulen usw.
    Drittens, andere migrationsflüsse aus andere länder Asiens und Russland.
    Die alle drei Gruppen sind sozial problem fähig. Zu denen sind es egal, dass die schädigen.
    Es ist viel dazu noch sagen, aber fürs Kommentar geht auch so.
    CU

  4. Sebastian
    Sebastian sagte:

    Mit Müll lässt sich doch eigentlich Geld verdienen. Bzw. mit seiner Wiederverwertung. Wieso sammelt also kein findiger und galanter Startup-Unternehmer den ganzen Müll ein und macht den großen Reibach? Oder ist es komplizierter?

  5. Chan TheJunction
    Chan TheJunction sagte:

    Ach ich glaube mit ein wenig geduld und durchhaltevermögen wird sich auch das „normale“ wegwerfen des mülls durchsetzen. sobald der stein erstmal ins rollen gekommen ist läuft alles wie von selbst.

    toller artikel übrigens, erfrischend anders als die restlichen 90% einheitsbrei (oder müll) im blog-wide-web.

    Schau doch auch mal bei uns vielleicht gefällt dir ja unser Blog.

    lg Chan

  6. danillo propagandismo
    danillo propagandismo sagte:

    ich habe bemerkt, das du in letzter zeit zunehmend mit einem kritischen auge auf die kasachische gesellschaft blickst, was ich interessant finde! mein komentar war daher als kleiner anreiz zu einer hinterfragung deinerseits gedacht… wenn man in seiner positionierung hinterfragt wird, bemerkt man sehr gut seinen eigenen standpunkt! deine antwort zeigt mir, dass du dich doch (noch?) ganz wohl fühlst in „boratstan“ :cool:

  7. nachtschwester
    nachtschwester sagte:

    Das kommt mir alles sehr bekannt vor, die blinde Obrigkeitshörigkeit, fehlendes Umweltbewusstsein und auch die Erklärung von Arman oben, der die Schuld an Missständen einfach an unliebsame „minderwertige“ Bevölkerungsgruppen verteilt, finde ich typisch postkommunistisch.
    Mülltrennung gibt es bei mir auf den Balkan, allerdings nachträglich und von Hand: Die Straßen sind voll von Müllsammlern mit Pferdekarren oder Dreirad-Mopeds mit Ladefläche oder anderen absurden Gefährten, die die großen Müllcontainer an den Straßen säuberlich nach Pappe, Glas und Plastik durchsuchen.
    Ich hoffe, Kasachstan ist für dieses Phänomen mittlerweile zu reich.

  8. R.Wiedenmeier
    R.Wiedenmeier sagte:

    @Chan TheJunction: Vielen Dank für den Kommentar. Da erröte ich doch wirklich etwas über dieses Lob :oops:
    Ich selber bin im Prinzip ähnlich optimistisch, muss aber meine Prognosen immer etwas herausschieben. Vieles dauert hier sehr lange. – Deinen Blog habe ich angeschaut. Ebenfalls seehr eindrücklich. Schon die grafische Präsentation gehört für mich unter die top 10! Werd gerne bei dir vorbeischauen!

    @danillo propagandismo: Ich habe begonnen, auch in vielen Gesprächen mit KasachInnen die Essenz dieser Diskussionen so darzustellen, dass die LeserInnen dieses Blogs einen Eindruck vom Leben in Kasachstan haben und die ganzen Widersprüche aber auch Veränderungen nachvollziehen können.

    @nachtschwester: Es freut mich sehr, etwas von dir zu hören!!! Auf dem Balkan war ich leider nur in Kroatien und da war die Situation nicht annährend so, wie du es aus deiner jetzigen Gegend schreibst. Aber in Kasachstan habe ich dieses Phänomen eben kürzlich in der Nähe meiner neuen Temporärwohnung gesehen. Bei den Müllcontainern schauten zwei Beine raus und sie bewegten sich. Ich dachte schon, dass da was ernsthaft nicht in Ordnung sei. Langsam kam ein Torso und schliesslich ein Koopf zum Vorschein. Auch dei Beute. Eben Glasflaschen. Es gibt hier wenige dieser ganz armen. Aber es gibt sie. Grüsse Richtung Balkan!!!

    @Arman: Vielen Dank für deinen Kommentar. Ich freue mich, wenn du meinen Blog weiterhin liest!

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