by r.wiedenmeier

Die Skizze und im Gedankenbörsen-Blog folgende Skizzen stammen aus den Jahren 2003-2005. Die Arbeiten veröffentliche ich zum ersten Mal.

Russische Sauna – Banja Die Russische Sauna ist im etwas längeren und intensiveren Winter Überlebenselixier für viele Menschen. In Almaty gibt es einen grossen Sauna Komplex, direkt am Panfilovpark. Arasan heisst dieser, mit einer grossen Kuppel und das ganze Angebot ist auf zwei Stockwerke verteilt. Wobei die beiden Stockwerke identisch sind. Zweimal Russische Banja und zweimal finnische.

Zuerst holt man sich im Erdgeschoss die Tickets an einem richtig sowjetischen Schalter. Die Angestellte dort hat leichte Schwierigkeiten das russische Wort für Badelatschen und Abtrocknungstuch auseinanderzuhalten. Mit dem Ticket in der Hand geht es nochmals hinaus, wo viele Händler ‚Schlagwerkzeuge‘ aus Eichenlaub zusammengewickelt verkaufen. Den Zweck dieser Werkzeuge beschreibe ich im Folgenden noch.

Der Einlassbefugte schaut peinlichst auf die Uhrzeit und nur zu gewissen Zeiten werden die Besucher eingelassen. Mit Winterschuhen und Mantel durchquert man die Eingangshalle wo die Männliche Kundschaft zur Hälfte schon entblösst auf Diwanen oder Stühlen sitzt. Die Kleider im Schliessfach verstaut macht man sich auf mit Handtuch bewaffnet unter die Dusche, da ist die Luft schon Banjaduft getränkt. Nach Eiche und ätherischen Ölen riecht alles.

Jetzt hat man die Qual der Wahl entweder zur Russischen Banja oder in die Finnische. Besser mit dem Leichteren beginnen. Mit der Finnischen. Wie gewohnt Ofen und Holzbänke. Temperaturen zwischen 80 und 90 °. Die Schweissbäche beginnen zu rinnen und sie werden dies tun, bis man sich erhebt und über die Treppe ins Bassin schlendert. Alles im sowjetischen Betonbaustiel aber schön dekoriert. Eine grosse Kuppelhalle. Rundes Bassin mit einem Durchmesser von ca.20 Metern. Rundherum Sitzbänke – da sitzen die Kunden während der Saunapause. Dutzende von oft sehr wohlbeleibten Männern sitzen nackt oder mit Badetuch bedeckt herum, diskutieren, debattieren oder relaxen einfach nur.

Die Russische Banja verschlägt einem bald den Atem. Auch etwas über 80 ° aber feuchte Luft. Immer wieder kommt ein Angestellter und wirft mit einer grossen Kelle Wasser in den Ofen. Heisse Dampfwolken stürzen sich auf einen und verbrennen fast die Ohrläppchen. Der Spass an der ganzen Sache sind die zu anfangs erwähnten Eichenlaubwerkzeuge. Nun kommen sie zum Einsatz. Entweder selber oder gegenseitig schlägt man sich den Körper mit diesen ab. Das bringt den Kreislauf so richtig zum zirkulieren!lektronisches Postfach geliefert.

Das darf man nicht“ Einen Satz, den ich in Kasachstan schon unendlich viele Male gehört habe:“Das darf man nicht“! Vor allem steht dieser Satz im Zusammenhang damit, dass ich viel in Kasachstan fotografiere. Die Sujets, die ich besonders mag darf man nicht fotografieren. Darunter geht jedes Haus, welches abgerissen wird, Hochhäuser, die sich im Bau befinden und alles was in irgendeiner Weise mit Spionage zu tun hat. Ganz Almaty ist abgeschirmt. Bei fast jedem Häuserblock gibt es 50, 100 oder mehrere hundert Meter lange Blechwände, damit der Neugierige Blick nicht sieht, was dahinter vor sich geht. Die Wände sind zwischen 3 und fünf Meter hoch. Es gibt einen Zentralen Eingang zum Grundstück oder der Baustelle und da befindet sich immer ein kleines Plastikhäuschen mit einem Securityangestellten. Ich suche mich oft Löcher in diesen Metallwänden oder warte darauf, dass ein Security Angestellter abgelenkt ist und in dem Moment mache ich die Fotos. Gleich darauf wettert es los:“Wer sind Sie?“ – „Was machen Sie hier?“ – „Es ist verboten hier zu fotografieren!“ – Meine Antwort fällt meistens gleich aus:“No russki“

Zum Teil sind die Security Angestellten sehr genau. Schon von über hundert Meter Entfernung haben sie erkannt welche Absichten ich hatte und sind mir entgegengerannt. Es ergaben sich sinnlose Diskusssionen und ich versuchte immer wieder meinen Standpunkt zu erklären und ich beteuerte immer wieder, dass ich kein Spion bin. Eben diese Aussage wird sie vermutlich noch misstrauischer machen.

Was weniger verständlich ist, ist die Tatsache, dass ich immer wieder darauf aufmerksam gemacht werde, dass ich auch neue, im Bau befindliche Projekte nicht fotografieren darf. Meine Erklärung dazu ist die, dass die Vorarbeiter oder Projektleiter weniger Angst davor haben, dass ich Bauweise, Material und Architektur spionagetechnisch verwerten kann, sondern dass Sie Angst davor haben, dass Baufehler, unpräzises und Unsauberes auf den Fotos zu erkennen ist. Um nochmals auf den Titel zurückzukommen:“Das darf man nicht“ ist kein Anlass zur vernünftigen Diskussion oder zur Frage: „Warum darf man das nicht“, sondern es ist ein Überbleibsel aus der Sowjetunion, es war sehr viel Verboten.

Wer zum ersten Mal nach Kasachstan kommt wird nicht lange dafür benötigen einen der grössten ‚Bodenschätze‘ Kasachstans zu entdecken – den Abfall. Schon kurz nachdem man vom Flughafen über die frisch gebaute Autobahn in die Stadt hineinfährt und dann von der Furmanova ‚Präsidentenstrasse‘ abzweigt beginnt sich der Abfall in seinen schönsten Farben zu schillern. Zuerst erkennt man ihn nur in den Strassengräben, die im Sommer zur Bewässerung der Bäume und Pärke dienen, im Frühling und Herbst zur Entwässerung bei starken Regenfällen, später fällt er auch einem ungeübte Beobachter vor so ziemlich jeder Plattenbausiedlung auf.

Es ist schade, dass Kasachstan es nicht schafft, dieses Problem in den Griff zu kriegen, welches im Vergleich zu anderen Investitionen verschwindend klein wäre. Und es sind auch Bestrebungen im Gange – alleine in diesem Jahr wurden tausende metallene grüne Abfalleimer den Strassen entlang aufgestellt. Doch   das alleine reicht nicht. Der Kasache ist ein Postsowjetbürger, also gewohnt auf Befehle zu handeln. Nicht immer aber oft habe ich die neuen Abfalleimer fast leer vorgefunden, zwei Meter nebenan stehen aber Müllpakete mit häuslichen Abfällen, direkt unter dem Abfalleimer liegen zerbrochene Bierflasche – Überreste einer weiteren ‚olympischen‘ Disziplin der Kasachen – Das abendliche Zerschlagen jeder herumliegenden Bierflasche.

Für mich nicht mehr nachvollziehbar – aber sich schon unzählige Male gesehen, ältere Frauen, Grossmütterchen die den Müll direkt vor die Haustüre oder an den nächsten Baumstamm stellen, anstatt die notwendigen 100 Meter zur nächsten Sammelstelle hinter sich zu bringen.

Bei Jungen AlmatinerInnen ist es beinahe unschick, vermute ich, den Abfall in einen Eimer zu legen. Die soziale Kontrolle ist in diesem Moment überproportional gross. Die Freundesgruppe schaut genau hin, dass die PET-Colaflasche auch unbedingt in hohem Bogen ins nächste Gebüsch fliegt, oder über eine Mauer ins Ungewisse.

Recycling ist in Kasachstan unbekannt, Mülltrennung ebenfalls. Ein Sackgebührsystem ist nicht in Aussicht. Jeder, der einen Mitbürger dazu anhält, doch seinen eigenen Müll da hinzubringen, wohin dieser auch gehört wird höchstens mit einem Missbilligenden Blick betrachtet oder gleich noch beleidigt.

Ich musste bei meiner ersten Begegnung mit dem Phänomen zweimal hinschauen. Bei Parkbänken bemerkte ich grosse Ansammlungen von Sonnenblumenkernen Hülsen. Ich fragte mich zuerst woher diese wohl stammen. Ob ein spezielles Eichhörnchen oder anderes Nagetier solche seltsamen Spuren hinterlässt.

In einem Park in Almaty sah ich dann Gruppen von jungen Kasachen, die genüsslich Sonnenblumenkerne aus kleinen Plastiktüten knabberten. Die Überreste rieselten dann auf den Asphalt und bildeten diese mir zuerst unerklärlichen Häufchen.

Immer wieder sehe ich nun vor allem in Parkanlagen oder nach einem Gespräch auf offener Strasse zwischen zwei Kasachen im Anschluss ein Häufchen Sonnenblumenkern Hülsen.

Selber wollte ich diese Tätigkeit einmal ausprobieren. Ich schaffte es aber anfänglich nicht, die Kerne zwischen Daumen und Zeigefinger aufzudrücken, sodass der Inhalt unverletzt blieb. Die Variante mit dem aufknacken unter Beihilfe der Zähne fruchtete bei mir schneller. Wenn man aber den Kasachen zuschaut, mit welcher Geschwindigkeit die Kerne aufgeknackt werden und anschliessend mit einer Schwungvollen Bewegung in den Mund befördert werden bekommt man einen natürlichen Respekt.