Zu meinem Geburtstag habe ich ein schönes Geschenk von einer Kasachin erhalten: „Ein kasachisches Mädchen“ aus Ton.

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Vor etwas über einem Monat bin ich mal wenige hundert Meter von meiner Wohnung in die Basar- Halle gegangen, wo ich immer Karotten, Kartoffeln, Wasserkanister und getrocknete Aprikosen kaufe, es gibt da neben anderen Läden auch eine ganz winzig kleines Fotogeschäft mit einer Fotomaschine und der Möglichkeit CD’s zum Kopieren und Fotorahmen zu kaufen.

Ich sah durchs Fenster, dass auf der Maschine eine Kartonschachtel stand, in die der Geschäftsinhaber den Ausschuss warf. Da dachte ich mir, das ist doch schade, solcher Abfall könnte mir die Geheimnisse der Kasachischen Kultur erschliessen. So bin ich hineingegangen und hab den Inhaber begrüsst und ihn direkt auf das Abfallthema angesprochen.

Auf Russisch heisst Abfall:“Мусор“ – Auf die Frage, ob ich nicht den Abfall haben könne schaute er mich erst etwas entfremdet an. Als ich ihm dann erkläörte, dass ich Künstler sei und den Abfall gewissermassen aufwerten werde ist er hinübergegangen zur Kartonschachtel und hat darin herumgewühlt. Dabei alles entfernt, was bloss weiss war und mir dann ein Bündel von etwa 150 Fotos in die Hand gedrückt. Ich war überglücklich und habe gleich in der Wohnung die Fotos durchgesehen.

Da hat es viele sehr „normale“ dabei gehabt, doch auch diese brachten mir auf eine neue Art und Weise die Kasachstanerinnen und Kasachstaner näher. Fotos von Familienausflügen an den Issyk Kul See, die Mädchen in engen Bikinis am posieren, dann Aufnahmen aus dem Stadtzentrum Almatys. Grossfamilie auf dem zentralen Platz. Später Schüler irgendwo in einer Schule auf einem Holzboden. Ab und zu ein Foto, bei dem 60% Schwarz waren und nur Füsse oder ein Kopf zu sehen waren, die haben mir sehr gefallen, denn so konnte ich mir den Rest dazuinterpretieren.

Eine Grossmutter mit ihrer Enkelin aif dem Schoss, falsch belichtet, hatte dann alles einen Hexenähnlichen Grünschimmer – cool! Die Beste Serie von fünf Fotos, die eigentlich gleich in eine Galerie gehörten wurden in Turkistan, das ist im südlichen Teil Kasachstans aufgenommen, drei oder vier Leute sind darauf zu sehen, traditionell gekleidet. Es gibt verschiedenartige Belichtungs – und Entwicklungsfehler. Ich finde die Fotos wunderbar. Sie haben etwas Märchenhaft verklärt und distanziertes, aber doch Rührend und Emotionales.

Nun ich bin dann alle zwei Wochen weiter Abfall sammeln gegangen und habe mir auch schon überlegt, die Aktion auf andere Fotogeschäfte auszuweiten, oder Freunde anzustellen, dies für mich zu tun. Müsste man in der Schweiz auch machen. Natürlich wäre da zu bedenken, dass wegen des kleinlicheren Denkens jeder Fotoangestellte Angst hätte, wenn die Fotos der eigenen Kunden dann in Blogs landen…

Klicken Sie auf das Foto um es in Originalgrösse zu sehen!  

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Hier können Sie eine meiner zuletzt angefertigten „digital collage“ – made in Kasachstan sehen.   Für eine Ansicht in Originalgrösse klicken Sie bitte aufs Bild.

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Per Zufall traf ich heute Dastan, dieser war gerade mit Erbossyn Meldibekov, einem der bekanntesten zeitgenössischen Künstlern Kasachstan unterwegs. Ich konnte gleich mit in sein kleines Atelier und dort zeigte er mir einen Teil seiner Arbeiten. Diese sind total eindrücklich. In einer Ausstellung im 2002 in Genf zeigte er schon einen Teil seiner Werke, danach war er in Amerika und auch Deutschland präsent. Nächstes Jahr wir Erbossyn, welcher verheiratet ist und zwei kleine Kinder hat wieder in Deutschland ausstellen. Ein Werk, welches weite Wellen geschlagen hat war das Foto „Mein Bruder – Mein Feind“. Hier ein Zitat von der Webseite universes-in-universe.org :

Die Fotoarbeit von Erbossyn Meldibekov „Mein Bruder – Mein Feind“ (2000) ist zu einer Art Markenzeichen der zeitgenössischen Kunst Zentralasiens geworden. Ausstellungskuratoren in Mexiko, Italien oder Polen brachten sie auf die Titelseiten von Zeitschriften, Katalogen und Kunstführern, auf Plakate und Einladungskarten. Auf den ersten Blick zeugt das davon, dass dieses kraftvolle Werk ziemlich genau den allgemeinen Vorstellungen von der Region entspricht, das heißt, es bestätigt ein gewisses Stereotyp, das sich aus dem Konvolut schwülstiger Begriffe des europäischen Orientalismus herausgebildet hat – nämlich Aggressivität, Exotik und „Geheimnis“ des Ostens. Zitat Ende. Den Text hat Valeria Ibraeva geschrieben.

Hier die Fotos, die ich heute – leider nur mit dem P1i bewaffnet gemacht habe:

Auf den unteren Bildern ist eines der neuen Werkstücke zu sehen, es sind Berge, beim genaueren Hinsehen erkennt der geübte Betrachter, dass die Oberseite der amerikanischen Suppenbüchsen zu Bergformationen transformiert wurde. Verschiedene Versionen dieser Arbeit hat Erbossyn geschaffen. Auch mit anderen Materialien sind Berge entstanden. Zum Beispiel aus einer grossen Marlboro Kartonschachtel und der nächste Schritt im Erstellen von Bergen werden Ölfässer sein. Wenn ich schon bei Amerika und Erbossyn bin, sein Bruder ist ebenfalls Künstler und arbeitet an einem Portrait. Nicht irgendeinem Portrait. Es wird ein Portrait eines gesuchten usbekischen Teroristen, gemacht aus hunderten sowjetischen Streichhölzern, welche anschliessend abgebrannt wurden. Wenn Sie den obigen Link universes-in universe.org betgätigen sehen Sie noch ein paar der Fleischwerke von Erbossyn. Gesichter hat er aus Fleisch geschaffen, sogar eine ganze Landkarte Zentralasiens. Nachdem ich die Werke gesehen hatte musste ich Erbossyn trotz allem fragen, ob er mit seiner doch auch etwas direkten Kunst nicht schon Probleme mit der Regierung oder der Behörde bekommen hätte. Darauf meinte er , dass sein sehr kleines Atelier, welches ich sehe nicht unbedingt seinem Wunsch entsprochen hätte. Ja oft sei er mit der etwas traditionelleren Ansicht der Vertreter der Kultur des Landes in Konflikt geraten.

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Tabldi Mukatov geboren am 16.januar 1947 im Atirauskaja Oblast. Das ist in der Nähe des Kaspischen Meeres.

Meine gute Freundin Aischan hat mit Tabldi ein Treffen organisiert. Gestern Nachmittag sind wir an der Puschkinstrasse ins Künstlerhaus gegangen, im fünften Stock hat uns Tabldi empfangen und sich vorgestellt. er ist sechszig Jahre Alt und ein Künstler geprägt durch die CCCP. Uns wurde gleich Brot, Pferdefleisch und Äpfel angeboten. Weil ein Gast aus dem fernen Europa kam hat Tabldi sogar einen echt russischen Champagner aus einem Versteck hervorgezeigt und so konnten wir auf die Kunst, das Leben und Anderes anstossen.

Einen guten Einblick ins Lebenswerk von Tabldi habe ich bei einer Vorführung der einzelnen Bilder bekommen. Viele zeigen Landschaften aus der Region Almaty, das ist der Koktebe zu sehen oder auch Medeu, noch mit unverbauten Hügeln und Täler, wo jetzt die Reichen ihre Villen hingepflanzft haben.

Am faszinierendsten habe ich die Illustrationen für ein Buch gefunden und die Schwarzweiss Skizzen, die er mir noch gezeigt hat. Ebenfalls hat er ein Buch mit kasachischen Gedichten in schöner kalygraphieschrift geschrieben, auf kasachisch. Was eher eine Seltenheit ist. In zwei Wochen wird er in Astana eine grosse Ausstellung machen. Vermutlich auch deswegen, weil er dieses Jahr sechzig wurde. Das habe ich hier schon Öfters erlebt, dass die grossen Staatlichen Museen dem Künstler Respekt zollen mit Ausstellungen zu runden Geburtstagen.

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„Da Freak“ heisst einer der angesagtesten Clubs in Almaty. Dort fand übers Wochenende die REPLICA 2007, das „international festival for experimental media art“, statt. Organisiert durch die Antparti Gang .

Glücklicherweise hatte ich zwei Gratistickets zur Verfügung, weil der Anlass sonst 2000T gekostet hätte. Über verschiedene Kanäle hörte ich von all den Leuten, die gerne auch hinwollten und am Freitagabend klingelte andauernd das Mobile (Pi1) und mehrere SMS hielten mich davon ab, einen Artikel zu schreiben.

Der werdende Mediziner Christoph kam noch kurz bei mir vorbei, da konnte ich ihm noch etwas Plof anbieten, welchen ich schon fertiggekocht im naheliegenden Supermarkt kaufen konnte. Gleich stiegen wir ins Taxi und fuhren zum Panfilov Park, in welchem sich der Club Da Freak befinden sollte. Weil wir aber an der Panfilov Strasse und nicht direkt am Park ausgestiegen sind mussten wir noch ein paar Hundert Meter zu Fuss zurücklegen.

Vor dem Club standen schon dutzende Leute herum, auch mehrere Deutschstämmige, die ich zum Teil schon kannte. Die Gratsiseintritte erhielt ich auch wie versprochen und so blieb noch Zeit ein Bier zu trinken, bevor wir am Securitycheck vorbei ins Lokal gingen. Der Club sehr modern und Trendy aufgemotzt entspricht den Europäischen Normen. Die Preise ebenfalls. Ein Bier kostet 5.-Sfr. Ich hab dann herausgefunden, dass ein Cognac für 2.-Sfr zu haben ist.

Zwei grosse Räume sind das Zentrum, ein grosser Eingangsbereich mit Sofas und Toiletten. Im grösseren Raum fand die REPLICA statt. Zwei grosse Leinwände und mehrere LCD Monitore flackerten und Electro Sound wummerte aus den Boxen. Richtig gemütlich. Das Festival startete und das Lein-up, welches Sie hier sehen zeigt verschiedene vertretene Nationen (gut es sind Deutschland und Kasachstan). Aber am Samstag, der zweiten Nacht beteiligten sich noch Künstler aus der Ukraine, Schottland, Polen, Irland und Russland.

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Die gezeigten Werke reichten vom Animations – oder Trickfilm, mit elektronischer Experimentalmusik hinterlegt bis zu extremen Beispielen, das beinahe dem letzten Zuhörer schwindlig wurde, oder beinahe das Trommelfell zerbarst. Eins der Eindrücklichsten Werke war von Zoë irvine, aus Schottland. Sie mixte alte Tonbänder, welche sie auf der Strasse gefunden hat real time am Mac mit elektronischen Klängen und Betas, die dazu gehörenden Bilder sind sehr willkürlich aber gut aufbereitet in einem Breitbildformat. Zoë hat auch, wie ich in einem Gespräch mit ihr erfahren habe schon in verschiedenen Kunsthäusern in Europa ausgestellt. Bis jeweils um drei, vier Uhr morgens blieb ich da. Im zweiten Raum ging ich mit verschiedenen Leuten noch tanzen, wobei es da amüsant war, weil in dem Raum so gut wie keine Ausländer zu finden waren und so konnte ich das richtige Partyleben Almatys in mich aufnehmen, und mich daran beteiligen.

Hier noch die dazugehörigen Fotos.

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