SonntagsZeitung vom 3.9.2006, Seite 3

Es würden bestimmt noch mehr Abgewiesene abtauchen�

Flpüchtlingsexperte URS HADORN über Risiken und Ineffizienz des neuen Asylgesetzes

VON JOEL WIDMER UND DENIS VON BURG (TEXT)

Urs Hadorn, Sie waren bis vor zwei Jahren Chef des Flüchtlingsamtes. Werden Sie dem Asylgesetz zustimmen?

Ich werde beim Asylgesetz Nein stimmen. Nur zum Auslünderge ­setz sage ich Ja.

Warum lehnen Sie das neue Asylgesetz ab?

Mit dieser Vorlage werden wir den Zustrom von Asyl Suchenden nicht wesentlich verringern. Die Mass ­nahmen sind wenig effizient, weit gehend wirkungslos und unver ­hältnismässig. Ich glaube, dass sich unser Land mit grosser humanitä ­rer Tradition nicht zuvorderst in die Asylhardliner-Staaten einreihen darf – aus eigenem Interesse nicht.

Bundesrat Blocher ist über ­zeugt, besser echte von so genannt unechten Flüchtlingen unterscheiden zu können.

Das bezweifle ich: Mit mehr Nicht ­eintretensentscheiden wird das Risiko von Fehlentscheiden stei ­gen. Zudem: Das Gesetz verlangt von Asylbewerbern einen Reise ­pass, um sicher ein ordentliches Verfahren zu erhalten. Dass man deswegen schneller zwischen ech ­ten und unechten Flüchtlingen unterscheiden kann, leuchtet mir in keiner Weise ein. Die Qualität der Papiere ist zu oft zweifelhaft. Der Ermessensspielraum, was entschuldbare Gründe für das Fehlen der Papiere sind, ist sehr gross und damit die Möglichkeit von Fehlentscheiden auch.

Das verhindert doch, dass Flüchtlinge ihre Papiere vor der Grenze wegschmeissen?

Es ist ein Wunsch. Ich glaube aber nicht, dass viel mehr Asyl Suchen ­de mit gültigen Papieren ankom ­men werden. Denn die irreguläre Migration ist ein Milliarden ­geschäft der organisierten Krimi ­nalität. Und die Schlepper nehmen den Asyl Suchenden die Papiere oft gegen deren Willen weg, um sie später illegal zu verwenden.

Bundesrat Blocher glaubt, die Verfahren beschleunigen zu können.
Eine grosse Beschleunigung ver ­spreche ich mir nicht. Mag sein, dass schneller entschieden wer ­den kann – mit allen Fehlerrisi ­ken -, wer bleiben darf. Der Auf ­wand bei der Rückführung der Abgewiesenen wird damit aber nicht kleiner. Und dort liegt ja heute das wirkliche Problem.

Deshalb will man ja die Aus ­schaffungshaft auf maximal 24 Monate verlängern und so die Leute zur Ausreise bewegen.

Das bringt gar nichts. Die Erfah ­rung zeigt, dass die Haft nur in den ersten Wochen wirkt. Schon jetzt sitzen nur wenige die volle Haft ­dauer ab. Wissen Sie: Wer auf der der Flucht sein Leben riskiert, nimmt nach 12 Monaten Haft locker weitere 12 Monate auf sich. Und kaum ein Haftrichter wird die vollen 24 Monate ausschöpfen.

Warum nicht?

Die Anordnung von 24 Monaten Ausschaffungshaft wird rasch vor Bundesgericht kommen. Und die ­ses wird wohl die Notbremse zie ­hen, weil das nicht verhältnismäs ­sig ist. 24 Monate Gefängnis kann man vergleichsweise für Totschlag erhalten. Die Verhältnismässigkeit ist in unserem Rechtssystem nun mal ein sehr wichtiges Prinzip.

Herr Blocher sagt, die längere Haftdauer sei eine Forderung der Leute an der Front. Sie kennen die Front.

Bundesrat Blocher bezieht sich auf gewisse Polizeidirektorinnen und -direktoren. Aber kaum ein Profi, der sachlich an der Front ar ­beitet, verspricht sich von solchen Massnahmen viel. Das sind bloss populäre politische Postulate.

Mit dem Gesetz sollen auch abgewiesene Asylbewerber nur noch Nothilfe statt Sozial ­hilfe erhalten. Ihr ehemaliges Amt liefert Zahlen, die zeigen, dass dies die Ausreise beschleunigt.

Das Nothilferegime gilt bereits für Personen, auf deren Asylgesuch gar nicht eingetreten wurde. Es hat sich tatsächlich gezeigt, dass sich mehr Leute als früher nicht mehr bei den Behörden melden. Ich neh ­me aber an, dass viele nicht aus ­reisen, sondern schwarz als Sans ­papiers hier bleiben. Wenn sie gehen, dann eher in ein anderes europäisches Land als in ihre Hei ­mat. Ich bin sicher: Die Ausdeh ­nung der Nothilfe auf alle Abge ­wiesenen führt dazu, dass noch mehr in die Illegalität abtauchen.

Sie glauben nicht an die Wirkung des Asylgesetzes.

Bundesrat Blocher und die Be ­fürworter des Asylgesetzes spre ­chen immer von der Bekämpfung von Missbrauch. Sie suggerieren damit, dass jeder, der kein Asyl er ­hält, Missbrauch betrieben hat und mit Repression daran hätte gehindert werden können, in die Schweiz zu kommen.

Und das stimmt nicht?

Sie zeichnen ein völlig falsches Bild. Im Mittelmeer und Atlantik ertrinken täglich Leute, die unter Todesrisiko in Europa Fuss fassen wollen, um ihre Verwandtschaft daheim finanziell zu unterstützen. Wir sind mit einer Migrations ­welle konfrontiert, nicht einfach mit einem Missbrauchsproblem.

Aber die Migrationswelle muss man in den Griff bekommen.

Sicher, aber es ist völlig verfehlt, wir werden scheitern, wenn wir diesen Strom einfach mit so ge ­nannter Missbrauchsbekämpfung verhindern wollen. Wir müssen die Migration managen. Das geht nur zusammen mit unseren europäischen Nachbarn, den Tran ­sit- und Herkunftsländern. Wenn wir aber in der Asylpolitik eine extrem harte Tour fahren, stellen wir uns in Europa ins Offside.

Inwiefern?

Mit noch mehr Repression werden wir den Flüchtlingsstrom ein ­fach in andere europäische Län ­der ablenken. Es ist zu befürch ­ten, dass Europa uns dann an ge ­meinsamen Lösungen, zum Bei ­spiel bei Rückkehr- oder Hilfs ­programmen, die Migration brem ­sen könnten, nicht mehr teilhaben lässt. Das ist eine grosse Gefahr. Sowohl innen- wie aussenpoli ­tisch rechtfertigen sich Aufwand und Ertrag in keiner Weise.

„Die eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) verlangt mehr Offenheit im Umgang mit Muslimen in der Schweiz.

Die Diskriminierungen im Alltag müssten ausgeräumt und die Ausübung der Religionsfreiheit gewährleistet werden. Der Anti-Terrorkampf dürfe nicht zur Stigmatisiserung einer ganzen Bevölkerungsgruppe führen.“

Aktuell wurde die Diskusion angestachelt durch SVP-Politiker, die Verbote für den Minarettbau erwirken wollten. Ich halte nichts von der SVP hetze gegen Ausländer und andersgläubige. Es zeigt wieder einmal wie intolerant die rechtsdenkenden sind. In der Schweiz betreiben wir seit Jahrhunderten eine sinnvolle Integrationspolitik. Wir haben in unglaublichem Masse von Ausländern profitiert und profitieren immer noch von ihnen. Es braucht auch ein „Sich-näher-kommen“ und einen unverkramfteren Umgang mit anderen Religionen.

Bis zu 100’000 Sprengköpfe, die die Israelis in den letzten 72 Stunden des Krieges abgeworfen haben sind noch nicht explodiert. Täglich sterben jetzt Menschen an solchen Überbleibsel der schon verwerflichen Streubomben. Sogar während die Resolution vorgelegen hat wurden noch solch menschenverachtende Angriffe geflogen.

Hier der Artikel aus dem Spiegel online, einfach auf die kleinen Bildchen klicken:

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Und ein weiterer Punkt, welcher für mich in anbetracht dieses Desasters unverständlich ist: Heute findet in stockholm eine Geberkonferenz statt, um dem Libanon Gelder zuzusprechen, damit er die zerstörten Häuser und Infrastrukturen wieder aufbauen kann. Ich bin eindeutig der Meinung, dass da überhaupt keine Frage aufkommen soll, wer die verursachten Schäden zu bezahlen hat. Es ist Israel, welches für das Zerstörte aufkommen muss. Schliesslich haben sie es ja ohne zu zögern weite Teile Beiruts unbewohnbar gebombt.

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Die Schweiz weist zusammen mit den USA die höchste Selbstmordrate mit Schusswaffen auf. In der Schweiz tötet sich jeden Tag ein Mensch mit einer Waffe. In über 50 Prozent der Fälle wird die Dienstwaffe benutzt.

Hätte die Schweiz für den Waffenbesitz strengere Regeln, könnte die Zahl gesenkt werden. Die Verfügbarkeit von Schusswaffen habe einen direkten Einfluss auf die Häufigkeit von Schusswaffensuiziden, schreibt die Uni Zürich in einer Mitteilung vom Dienstag. Die Resultate der Studie sind in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins «American Journal of Public Health » veröffentlicht.

Länder wie die Schweiz und die USA stehen infolge ihrer liberalen Gesetzgebung an der Spitze der Rangliste. Gemäss der Studie wirken sich Änderungen in der Verfügbarkeit von Schusswaffen wie etwa restriktivere Gesetze oder Reglemente direkt auf die Zahl der Selbsttötungen aus.

Vorbild Kanada

In Kanada ging auf Grund entsprechender Massnahmen die Verfügbarkeit von Waffen seit den 80er Jahren von 31 auf 19 Prozent zurück, die Schusswaffensuizide nahmen dabei von 32 auf 19 Prozent ab. In Australien sank die Waffenverfügbarkeit von 20 auf 10 Prozent, die Schusswaffensuizide von 30 auf 19 Prozent.

In der Schweiz nahm im gleichen Zeitraum der Anteil der Schusswaffensuizide von 23 auf 27 Prozent zu, wie es in der Mitteilung heisst. Bei rund der Hälfte der Fälle sind Militärwaffen involviert, wie Studienautor Vladeta Ajdacic-Gross auf Anfrage erklärte.

Schusswaffen spielen besonders bei impulsiven Suiziden und Suiziden unter Alkoholeinfluss eine wichtige Rolle. Sie ermöglichen es, den Handlungsimpuls schnell umzusetzen.

Gemäss dem Studienautor besteht in der Schweiz mit ihrer hohen Suizidrate Handlungsbedarf. Im Hinblick auf Schusswaffen seien Massnahmen wie Waffenregister, Verbot spezieller Waffen, Minimalalter oder Wartefristen beim Waffenkauf denkbar.

Dieser Text ist heute im „20 Minuten“ und anderen Printmedien erschienen. Es ist wichtig, dass dieses Thema ein für alle Mal vomTisch kommt. Es braucht dringend eine Änderung im Waffengesetz, oder einfach das Verbot, Armeewaffen Zuhause aufzubewahren. Ich verstehe nicht, warum es solange braucht, damit gehandelt wird. Beim Drama Corinne Rey-Bellet gab es kurz eine Diskussion und öffentliches Plaudern über den Sinn, Dienstwaffen zuhause aufzubewahren. Es scheint aber so,dass eine gewisse Lobby solche Opfer in Kauf nimmt.

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In einem Interview des Deutschlandradio geht es ums Thema der Videoüberwachung. Zwei Sätze davon sind mir gleich geblieben:

1.„Es handelt sich heute um eine institutionalisierte Form der überwachung“

    Diese Aussage im Zusammenhang mit der Darstellung, dass wir in einem ähnlichen System wie dem von Geor Orwell beschriebenen leben. Oder der Wunsch nach mehr Überwachung, welcher aktuell überall diskutiert wird an die DDR erinnert. Der interviewte streitet da eine Ähnlichkeit ab

    2. „Kameras nehmen Einfluss aufs soziale verhalten…“

    Na klar tun sie das. Aber bei mir ist es keineswegs der Faktor, dass ich mich sicherer fühle, sondern im Gegenteil ich fühle mich einfach überwacht. Und wenn ganze Bahnhöfe mit Kameras vollgepflastert werden soll die abschreckende Wirkung steigen.

    ::Der Wissenschaftler Leon Hempel vom Zentrum für Technik und Gesellschaft an der TU Berlin sprach im Deutschlandradio Kultur über die Folgen einer stärkeren Überwachung durch Kameras.::

    Calmy-Rey wünscht für die Schweiz einen Sitz im Uno-Sicherheitsrat. Ich finde, dass das eine gute Idee ist, da die Schweiz ja auch auf neutralem Boden jede Menge Organisationen beheimatet, mit internazionaler Reichweite. Demnach könnte auch eine etwas amerika-kritische Haltung im Sicherheitsrat platz finden.
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    Die ständigen Mitgliedstaaten im Rat (grün) und (rot) die G4 Staaten, die für einen ständigen Sitz weren.